Maylis de Kerangal: "Die Lebenden reparieren"

Buchtipp – Oktober 2015

Maylis de Kerangal hat einen bemerkenswerten und aufwühlenden Roman geschrieben, der sich mit dem Thema Organspende befasst. In Frankreich hat sie bereits mehrere Preisen dafür erhalten.

© Suhrkamp Verlag

Der 19-jährige Simon fährt mit zwei Freunden an einem frühen Februarmorgen zum Surfen, sie hoffen, die perfekte Welle zu reiten. Als sie sich erschöpft auf den Heimweg machen, gerät ihr Wagen ins Schleudern, Simon, der nicht angeschnallt ist, prallt mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe. Im Krankenhaus wird der klinische Tod diagnostiziert, zugleich stellen die Ärzte fest, dass er sich zum Organspender eignet. Die erschütterten Eltern müssen eine Entscheidung treffen, es bleibt ihnen wenig Zeit und ihr Sohn wirkt mit seinem unversehrten Körper und rosigen Wangen so, als ob er nur schliefe.

Der Roman verfolgt über einen Zeitraum von 24 Stunden die Konsequenzen einer Entscheidung zur Transplantation. Wie verhalten sich Ärzte und die Familien in solchen Situationen auf Leben und Tod? Maylis de Kerangal schildert das Geschehen aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten. Sachlich genau wird der Ablauf von der Organentnahme bis zur lebensspendenden Aufnahme in einem anderen Körper dargestellt. So entsteht ein vielschichtiger Blick auf dieses schwierige und heikle Thema. Die Autorin hat dafür die richtige Sprache gefunden, sachlich und poetisch zugleich, hervorragend übersetzt von Andrea Spingler.