Buchtipp des Monats
Dror Mishani: „Die Möglichkeit eines Verbrechens“
Buchtipp – Dezember 2015Eine Bombenattrappe vor einem Kindergarten, dessen Leiterin brutal misshandelt wird, eine verschwundene Frau und deren reizbarer Mann sowie ein melancholischer Kommissar – das sind einige der wichtigsten Figuren in dem zweiten Kriminalroman des israelischen Autors und Literaturprofessors Dror Mishani.
Nein, es handelt sich um keinen Polit-Thriller, der vor einer Kulisse aus Bombenterror und den bekannten Nahost-Konflikten spielt, wie man es vielleicht von einem israelischen Krimi erwarten würde. Stattdessen zeichnet Dror Mishani stille, in sich gekehrte, an sich und ihrem Tun zweifelnde Charaktere, die vor allem durch Konflikte in ihrem persönlichen Umfeld geprägt sind. Wer rasante Action, diabolische Schurken und strahlende Helden erwartet, wird enttäuscht, dafür aber belohnt mit einer Geschichte, die aus mehreren Perspektiven erzählt wird und differenzierte Einblicke in das Denken und Fühlen glaubwürdiger Figuren vermittelt. In ein solches Konzept passt auch nur ein Kommissar wie Avi Avraham, der trotz aller Erfahrung und Ernsthaftigkeit bei seinen Nachforschungen allzu menschliche Fehler macht und dem vieles rätselhaft bleibt. – Kein spektakulärer, aber ein psychologisch intensiver Kriminalroman, der stilsicher alle gängigen Klischees des Genres umschifft.
Wien: Zsolnay Verlag, 2015. Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.