Arno Frank: "So, und jetzt kommst Du."

Buchtipp – April 2017

Oft liegt dem Debut eines Autors eine eigene, frühe Erfahrung zugrunde. Auch bei Arno Franks herzzerreissender Geschichte. Deswegen und weil er erzählen kann, ist es ein ziemlich gutes Buch geworden.

© Verlag Klett-Cotta

Der Journalist, der für unter anderem für die taz, den Tagesspiegel, den Musikexpress und Die Zeit schreibt, hat die Geschichte seiner Familie in einen Roman verwandelt, der spannend ist, komisch - und überhaupt nicht lustig.

Es beginnt scheinbar harmlos in der Pfalz der 1970er Jahre: Der Vater arbeitet als Gebrauchtwagenverkäufer und versucht mit mäßigem Erfolg nebenbei allerhand Plunder abzusetzen. Sein Geschäftsprinzip ist, immer einen Dummen zu finden - und von denen gibt es reichlich, wie er seinem Sohn erklärt. Schuften tun nur die Doofen. Die Mutter und er sehen sich eigentlich in ganz anderen Szenen, "bigger than life" im Großformat jenseits der Provinz - und der Realität. Schliesslich unterschlägt der Vater 300.000 Mark, setzt sich nach Frankreich ab und zieht die Familie mitsamt zwei Hunden mit sich.

Aber wenn der Vater ein Hochstapler ist und die Mutter seine Bewunderin, gibt es für die Kinder nicht viel zu lachen. Was zunächst als Abenteuer an der Seite der Eltern beginnt, wird zum Albtraum. Die Mutter glaubt an den Vater, solange er weiter strahlt und angibt, in den dunkleren Phasen verfällt sie in Passivität und regressives Verhalten. Der Vater rechtfertigt sich durch seine unerschütterliche, abstruse Selbstüberzeugungen, die immer mehr Delikte nach sich zieht. Die Kinder bleiben sich selbst überlassen, werden auf der Flucht vor Interpol durch Spanien, Portugal und über Paris nach München mitgeschleift: Es scheint als seien sie Staffage in der Selbstinszenierung der Eltern, denen auch ein erweiterter Suizid als Option in den Sinn kommt - unterbrochen von nicht minder egozentrischen Fürsoglichkeits-Anfällen.

Arno Frank erzählt seine Geschichte direkt, doch warmherzig konsequent aus der Sicht des Kindes. Gerade deswegen ist sie so erschütternd und lässt einen nicht los. Das Buch ist ein Roadmovie, ein Entwicklungsroman und zugleich eine beunruhigende, traurige Erzählung von der man eigentlich nur wünschen kann, sie wäre doch erfunden.

"So, und jetzt kommst Du", ist die Floskel mit der der Vater seine von Stammtischweisheiten und Arroganz durchsetzen Belehrungen gerne abrundet. Doch zu sagen gibt es dann nichts mehr. Am Ende werden die Kinder gerettet, weil das eintritt, wovor sie ich am meisten gefürchtet haben: Die Polizei holt sie da raus. Doch dass es zur Rettung kommen konnte, verdanken die Kinder sich selbst.

Arno Frank hat ein ergreifendes Buch über Abhängigkeit und Freiheit, über Lebenslust und Absturz, Verlassensein und Loslassen - und nicht zuletzt über Resilienz geschrieben. Gut, dass die Geschichte vorbei ist - aber lesen müssen wir sie unbedingt!


Das Buch ist 2017 im Verlag Klett-Cotta erschienen: www.klett-cotta.de