Buchtipp des Monats

Buchtipp – Juni 2014

David Finck: "Das Versteck"

Ein aufregender Debütroman des Literaturinstitut-Absolventen, der angenehm verstört. David Finck (1978 geb.) ist auch Co-Autor des Drehbuchs zu dem Kinofilm "5 Jahre Leben". Mit Juli Zeh verfasste er "Ein kleines Konversationslexikon für Haushunde".

© Schöffling & Co

"Wie fängt ein Philosoph einen Löwen? Der Philosoph zieht einen Zaun um sich herum und sieht sich als Außen." Eigentlich ist dieser Satz ein wichtiger Schlüsselsatz im Debütroman von David Finck – aber da >eigentlich< als Verweis auf die wahre Begebenheit in diesem Roman nicht greift, wie auch der Erzähler mehrfach suggeriert, sollte man von der Verwendung dieses Wörtchens eher absehen. Es ist eben alles eine Frage der Auslegung. Entscheidend für den Roman "Das Versteck" ist der Satz aber, weil er darauf verweist, wie schnell sich der Ausschluss aus der bisherigen Lebenswelt vollziehen kann, denn: "Spielt man nur ein kleines bisschen an den Einstellungen herum, gerät alles aus den Fugen." So ist der ohnehin schon an sich zweifelnde Bernhard in Schieflage geraten, seit sein Bruder Jonas verschwunden ist. Ohne es zu wissen hatte er dem Lebemann die Freundin ausgespannt. Dieser taucht daraufhin ab und entzieht sich der engen Bruderbeziehung. Gabriele und Bernhard werden ein Paar, aber die Leerstelle Jonas nimmt immer mehr Raum in den Gedanken von Bernhard ein, und er erscheint zunehmend entrückt. Es beginnt ein Spiel mit der Lesererwartung, die Wahrnehmung des fragilen Protagonisten steht plötzlich infrage und das komplexe Motivverweissystem des gerne vorausdeutenden Erzählers lässt sich nicht mehr überlesen. Mehr und mehr wird der Leser hineingezogen in die Bruderbeziehungskonstellation und deren psychopathologische Tiefen. Das Versteck ist beeindruckend vielschichtig und wartet mit einigen möglichen Lesarten auf. Es ist ein spannendes Buch, mit pointiertem Witz und ausgefallenen Charakteren, die in ihren skurillen Ausprägungen auch immer mit dem Protagonisten korrespondieren. Ein wirklich guter Roman, der noch dazu mit einem grandiosen Anfangssatz beginnt: "Wenn ein Mann halb nackt in der Küche sitzt und ein Glas Milch trinkt, weil er nicht schlafen kann, muss das noch lange nicht heißen, dass die Geschichte tragisch endet." Da muss man doch weiterlesen.

Von:Gesa Husemann, Literarisches Zentrum Göttingen

Links: http://www.davidfinck.de